Autor: Marquardt,K., Institut für Wirtschaftsökologie, 86736 Dornstadt-Auhausen, Germany, Mai 1996, gekürzt, Erstveröffentlichungen in: Mitteilungen des Forschungskreises Stadtentwicklung, Heft IX/1991, teilweise in Diss. 1, 1973 und Diss. 2, 1976

Aufgaben ökologisch fundierter Landschaftsgestaltung

Abgrenzung und Begriffserklärung

Zur inhaltlichen Eingrenzung eines Aufgabenbereiche scheint es sinnvoll, mit einer Begriffsklärung bzw. mit einer Klärung der Teilbegriffe zu beginnen.

a) Zum Begriff Landschaft

Als Landschaft soll die Beschaffenheit des Landes, d. h. ein Gnazes, mit allen bebauten und unbebauten Bereichen verstanden werden.

b) Zum Begriff Planung (1)

Sehr häufig wird im Zusammenhang mit dem Begriff Landschaft der Begriff Planung verwendet. Es scheint deshalb erforderlich, auf diesen Begriff etwas näher einzugehen.

Was ist Planung?

Planung ist ein geistiger Akt mit unterschiedlich bedeutsamen und in ihrer Bedeutung wechselnden Wesenselementen. Deshalb sind auch Anwendung und Verständnis von Planung unterschiedlich.

Im einzelnen sei betont:

Bezogen auf die genannten Elemente kann somit das Wesen von Planung als die bewußte, aktive Schaffung zielbezogener, bewerteter Vorstellungen beschrieben werden.

Um den Wirklichkeitsbezug herzustellen, sind noch zwei weitere Elemente erforderlich:

Eindeutig ist der Zweck von Planung. Planung, d. h. die zeitlich und bezüglich der Mittel eingebundene, bewußte aktive Schaffung zielbezogener bewerteter Vorstellungen dient stets der "Optimierung zukünftiger Handlungsabfolgen".

c) Zum Begriff Ökologie

In den letzten Jahren wurde bei der Beschreibung landschaftsbedeutsamer Tätigkeiten zunehmend der Begriff "ökologisch" hinzugefügt.

Das Wort Ökologie kann im übertragenen Sinne mit "Wissen vom Ganzen einschließlich des Wissens um die Zusammenhänge" übersetzt werden. Aus dieser Übersetzung ergibt sich sofort, daß der Zusatz "ökologisch" zu einem Wort nichts anderes als eine spezielle Verfahrensform, eine besondere Betrachtungsweise oder Denkhaltung anzeigt, die für die Befassung mit der Beschaffenheit des Landes als Ganzes eine unbedingte Voraussetzung, d. h. selbstverständlich ist.

d) Zum Begriff Landschaftsplanung

Betrachtet man nunmehr die sogenannte ökologische Denkweise bei der Beschäftigung mit Landschaft als selbstverständlich, so bleibt noch zu klären, welchen Sinn eine Verbindung der Begriffe Landschaft und Planung hat. Nach dem bisher aufgeführten ist die Frage zu stellen:

"Kann man eine Landschaft überhaupt planen?"

Die Antwort auf diese Frage lautet: "Nein!"

Das liegt ganz einfach darin begründet, daß eine Landschaft als Ganzes in Raum und Zeit kein Ziel hat!

Wir können deshalb unsere für die Landschaft bedeutsamen, zukünftigen Handlungsabfolgen gar nicht objektiv optimieren, weil wir diese ohne Ziel nicht kennen können. Nicht einmal für einen winzigen Teil der Landschaft, den Menschen, können wir Landschaft planen, weil wir über den Sinn menschlichen Seins nichts wissen.

So bleibt uns nur die Möglichkeit, subjektiv - individuell und/oder kollektiv diejenige Landschaft zu schaffen, die unserem gegenwärtigen Wertverständnis über die Zukunft entspricht; d. h. uns bleibt nur noch die Möglichkeit, Landschaft zu gestalten!

Um den ganzheitlichen, bewußt neu schaffenden Charakter aller landschaftsbedeutsamen Tätigkeit auch in der Bezeichnung schon zu betonen, wird deshalb hier vorgeschlagen, in Zukunft wieder verstärkt den Begriff "Landschaftsgestaltung" zu verwenden - und nur zur Erinnerung sei noch einmal hervorgehoben, daß damit die aktive Schöpfung von Beschaffenheit des Landes; d. h. von Ganzheiten mit allen natürlichen und künstlichen Elementen im Zusammenhang - also nach sogenannter ökologischer Denkweise - zu verstehen ist.


Fähigkeiten, Kenntnisse und Fertigkeiten

Nur pauschal soll auf die Fähigkeiten, Kenntnisse und Fertigkeiten eingegangen werden, welche erst eine Tätigkeit wie Landschaftsgestaltung ermöglichen.

Ein Landschaftsgestalter braucht die Fähigkeiten, Kenntnisse und Fertigkeiten zum

  • a) Erkennen
  • b) Analysieren und wieder Zusammensetzen
  • c) Neuschaffen
  • von Landschaft.

    Zum Erkennen braucht er intensive Informationen über alle landschaftsbeeinflussende Bereiche, insbesondere über Geologie, Morphologie, Klima, Boden, Gewässer, Naturräume; über Land- und Forstwirtschaft, Siedlung, Verkehr, Erholung, Bodenschätze, Schutznotwendigkeiten und vor allem über das Wesen von Pflanze, Tier und Mensch.

    Zum Analysieren und zum Zusammensetzen von - nach der eigenen oder der Überzeugung der Allgemeinheit besseren Ganzheiten - braucht der Landschaftsarchitekt die Methodik; von der Problemfindung, Problemstrukturierung und Problemauswahl - um nicht mit hohem richtigen Aufwand das falsche Problem zu lösen - bis hin zur Findung von Zielen und Neuem.

    Dabei helfen uni- und multivariable Analyse-, Bewertungs- und Entscheidungsmodelle, Taktik und Strategien, oder auch Methoden zur Ermittlung der direkten und sozialen Kosten und Nutzen.

    Um solche Methodik anwenden zu können, müssen dem Landschaftsgestalter nicht nur die Tücken der Datengewinnung, der Datenaufbereitung und der Datenverarbeitung oder die anwendungsmöglichkeiten und Grenzen der Mathematik und Statistik vertraut sein, sondern ebenso die Auswertung von Satellitenfotos oder die Anwendung der integrierten Mensch-Maschine-System-Simulation. (Alle diese Methoden werden heute in der Praxis längst angewandt).

    Zum Neuschaffen braucht der Landschaftsgestalter schließlich tiefe Einsicht für die harmonische evolutionäre Gesamtdynamik des Universums (2), den Mut, die Zukunft als Chance zu ergreifen und eine hohe kreative Begabung.

    Die oben nur pauschal aufgeführten Fähigkeiten, Kenntnisse und Fertigkeiten zum Erkennen, Analysieren bzw. Zusammensetzen und Neuschaffen braucht ein Landschaftsgestalter - dies sei besonders betont - alle zusammen und alle zugleich!

    Nur dann erst, wenn der Landschaftsgestalter nicht mehr als (meist hoffnungsloser) Konkurrent von z. B. Forst- und Wasserwirtschaftlern, Geographen, Botanikern, Biologen, Volkswirten und Systemtechnikern auftritt, sondern als schöpferischer Integrator landschaftsbeeinflussender Interessen wirken will, scheint er als Berufsstand eine dauerhafte Überlebenschance zu bekommen.

    Doch dafür sind die genannten Fähigkeiten, Kenntnisse und Fertigkeiten unabdingbar.

    Wer sich alles zusammen und alles zugleich nicht zutraut, würde sicher in einem anderen Beruf glücklicher!

    Wer aber die angesprochenen Fähigkeiten, Kenntnisse und Fertigkeiten hat, auf den warten in der ganzen Welt großartige Aufgaben.

    Dies reicht vom Bewahren naturnaher Flächen, von der Sanierung von mit Schadstoffen überlasteten oder zerstörten Landschaftsteilen, dem wieder lebenswert machen unserer Städte und aller Städte, die nach unserem Vorbild in der Welt entstanden sind, über das lebenswert Erhalten und Gestalten der ländlichen Räume insgesamt, von der Gestaltung der von Überbevölkerung bedrohten Landschaften in der Dritten Welt bis zu globalen Aufgaben, wie die Gestaltung von Lebenschancen für alle Lebewesen.


    Aufgaben der Landschaftsgestaltung

    Abschließend soll deshalb auf diese Aufgaben der Landschaftsgestaltung noch etwas näher eingegangen werden.

    Beginnen wir mit einer Betrachtung der Probleme des Erhaltens und des Schutzes.

    Landschaft lebt.

    Die Beschaffenheit des Landes hat sich bisher stets verändert, verändert sich ständig und wird sich weiter verändern. Landschaft war vor dem Menschen anders, als sie eventuell nach ihm sein wird.

    Weil wir weder das Ziel der Landschaft noch das der Menschen kennen, ist es notwendig, momentan nicht benötigte oder noch nicht als wichtig erkannte Substanzen, Formen u. a. so lange wie möglich für zukünftige, noch gestaltbare Zustände aufzubewahren.

    Doch kann und darf die Konservierung einzelner Zustände nie Selbstzweck, nie letztes Ziel sein.

    Der Landschaftsgestalter - vertraut mit dem stetigen Werden, Wachsen und Vergehen - sollte auch den Wert des Vergessens und des "Vergessen werdens" beachten.

    Weit wichtiger als Erhaltung und Schutz scheint deshalb die Gestaltung; denn Landschaft lebt!

    Wollen wir z. B. für den Menschen eine menschliche Lebensform erhalten, dann müssen wir bereit und in der Lage sein, zusammen mit der konstanden Veränderung der Landschaft auch stetig neue Lebenschancen zu entwickeln.

    Die wichtigste Aufgabe der Landschaftsgestaltung ist dabei die Wiederherstellung und/oder Schaffung einer steten Harmonie zwischen den natürlichen Grundlagen und dem nach aller Logik, nach allen sogenannten Naturgesetzen Unwahrscheinlichsten, dem, das Ungleichgewichte aufbaut, dem Leben.

    Wir haben heute dafür bis vor kurzem noch ungeahnte Mittel und Möglichkeiten, wir haben auch die Pflicht zur Gestaltung dieser Erde.

    Unser Lebensbereich in Länge, Breite, Höhe, in Geist, Zeit, Gefühl ist begrenzt.

    Wollen wir die Beschaffenheit des Landes in Harmonie erhalten, so müssen wir in der sich konstant verändernden Landschaft diese Harmonie ständig neu schaffen.

    Die Alternative zur ständigen harmonischen Gestaltung der Beschaffenheit des Landes wäre der Tod - zumindest für die meisten Menschen.

    Daraus folgt, und dies sei zum Schluß noch einmal besonders hervorgehoben:

    Landschaftsgestaltung ist

  • - trotz praktizierter ökologischer Denkform,
  • - trotz aller modernster Methodik
  • nicht nur rein rational.

    Landschaftsgestaltung ist nach Meinung des Verfassers in hohem Maße auch eine intuitive, emotionale Tätigkeit, ist Kunst; - denn Aufgabe der Landschaftsgestaltung ist ständige Schöpfung.


    Hinweise:

    (1) vgl. z. B. Marquardt, K., Planung, in: Politisch-Pädagogisches Handwörterbuch, Günter Olzog Verlag München, 1980,

    Marquardt, K., Die Bedarfsermittlung für eine offengelegte wirtschaftliche Planung von öffentlichen innerstädtischen Erholungseinrichtungen für überwiegend im Freien stattfindende Erholungsformen, Dissertation 1, Berlin 1973,

    Marquardt, K., Computersimulation der Folgen kommunalpolitischer Entscheidungen, Dissertation 2, Berlin 1976, Verlag Haag + Herchen, Frankfurt/Main

    (2) Marquardt, K., Entwicklungsbedingungen für die Menschheit, in: Politische Studien, Sonderheft 1/1980


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