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Ökologische Wirkungen von großen Photovoltaik-Freiflächenanlagen (Vortrag zur XIII. Internationalen Naturschutztagung "Zoologischer und botanischer Artenschutz in Mitteleuropa", Bad Blanckenburg, 29. 10. 2004, leicht verändert)

 

Einführung

Lassen Sie mich einleitend das Thema "Ökologische Wirkungen von großen Photovoltaik-Freiflächenanlagen" (Darstellung 1) etwas genauer definieren.

Unter "Ökologie" soll die "Lehre von den Zusammenhängen und Wechselwirkungen" verstanden werden.

Photovoltaik-Freiflächenanlagen sind darin als eine von zahlreichen Möglichkeiten der Energiegewinnung; und zwar die der direkten Umwandlung von Sonnenlicht in elektrischen Strom zu betrachten.

Nimmt man einmal die Inhalte der Uweltgesetzgebung wie z. B. die Vorgaben zur Umweltverträglichkeitsprüfung als Maßstab, dann sind bei der Erstellung von Photovoltaik-Freiflächenanlagen die erheblichen Auswirkungen auf

- Menschen,
- Tiere und Pflanzen,
- Boden,
- Wasser,
- Luft,
- Klima und Landschaft,
- Kulturgüter und sonstige Sachgüter sowie
-
die Wechselwirkungen zwischen den vorgenannten Schutzgütern zu berücksichtigen.

Auf der heutigenTagung "Zoologischer und botanischer Artenschutz" möchte ich vor allem im zoologisch und botanisch engeren Sinne auf die Wirkungen großer Photovoltaik-Freiflächenanlagen auf Tiere und Pflanzen eingehen.

 

Anlagen-Unterschiede

Photovoltaik-Anlagen werden derzeit bevorzugt auf Dachflächen und auf Freiflächen erstellt.

Größere Freiflächenanlagen sind neben Dachanlagen erforderlich, um die mit Hilfe des Erneuerbaren-Energie-Gesetzes (kurz EEG genannt) klugerweise erzwungene Steigerung der Wirtschaftlichkeit der Solarstromerzeugung zu erreichen.

Bisher werden zwei Verfahren geplant bzw. teilweise auch schon gebaut:

- feststehende und
- dem Sonnenlauf nachgeführte

Anlagen.

Ein auch ökologisch gesehen bedeutender Unterschied dieser beiden Anlagenformen ist deren Rückbaubarkeit.

Beide Anlagenarten sind heute so konzipiert, dass sie nach der Nutzungszeit mit Rücksicht auf den im EEG festgelegten Förderzeitraum nach rund 20 Jahren vollständig rückbaubar sind.

Bei den feststehenden Anlagen ist dies leicht erreichbar, da man nur feste Traggerüste benötigt, die z. B. aus unbehandeltem Holz herstellbar sind.

Bei den nachführenden Anlagen ist das nicht möglich, weil die beweglichen Teile und die Drehmotoren nicht aus sich in absehbarer Zeit selbst ökologisch unschädlich zersetzenden Bestandteilen herstellbar sind.

Bezüglich der Ästhetik sind auf Einzelfundamenten stehende Nachführeinrichtungen etwas im Vorteil, da die Aufstellung leichter z. B. einem Geländerelief angepaßt weden kann.

Ein artenschutzbezogener deutlicher Unterschied der genannten Anlagenformen ist die Flächenüberdeckung, die vor allem zu Beschattung und Minderung des Niederschlags auf Flächenteilen führt.

Bei nachgeführten Anlagen treffen aber nur maximal 6-10% der Kollektorfläche als Schatten auf die gleiche Bodenfläche. Alle anderen Teilflächen sind, da der Schatten ja mitwandert, nur vorübergehend beschattet.

Bei feststehenden Anlagen wirft zumindest die volle Kollektorfläche dauerhaften Schatten.

Wie wirkt sich das nun auf den Artenschutz aus?

 

Anlagen-Wirkungen auf den Artenschutz

In einer der wenigen mir bislang bekannt gewordenen diesbezüglichen Langfriststudien, die von Engels durchgeführt und von Teggers-Junge unter dem fragenden Titel: "Schattendasein und Flächenversiegelung durch Photovoltaikanlagen?" veröffentlicht wurde, finden sich folgende Ergebnisse:

Unter 2 x 13 m großen Modultischen haben sich nach 10-jähriger Beobachtung Pflanzenbestände mit durchschnittlich nur bis zu 10 Pflanzenarten weniger als auf Vergleichs-Freiflächen entwickelt. Mit ca. 130 Arten lag die Vielfalt verglichen mit den ca. 10 bis 15 Arten auf intensiv genutzten Wiesen beachtlich hoch.

Die Tierwelt störte sich ebenfalls nicht an den Solarmodulen. Besonders Arten wie Heuschrecken, Schmetterlingen, Amphibien und Reptilien fanden neuen bzw. erweiterten Lebensraum.

Die Umwandlung von Ackerland in extensiv genutztes Grünland unter Solarmodulen bewirkt also gut eine Verzehnfachung der Artenanzahl.

Um die daraus herleitbare Aussage, dass Photovoltaik-Freiflächenanlagen dem Artenschutz eher förderlich sind breiter prüfen zu können, wurden vom Verfasser für mehrere Großprojekte (von 35 bis 75 ha) in ebenem bis flachwelligem Gelände die Veränderungen der Lebensbedingungen für Tiere und Pflanzen bilanziert.

Als weitgehend anerkannter Vergleichsmaßstab wurde die vom Thüringer Ministerium für Landwirtschaft, Natur-schutz und Umwelt herausgegebene "Anleitung zur Bewertung der Biotoptypen Thüringens" herangezogen.

Das Ergebnis der Bilanzierung war überraschend positiv und ist deshalb in der nachfolgenden (Darstellung 2) in auf Prozentwerte normierter Form - aufgezeigt.

Dabei wurde entsprechend dem EEG eine intensiv ackerbaulich genutzte Fläche als Ausgangssituation genommen, welcher biotopmäßig eine "geringe" Bedeutung zugemessen wurde.

Die Darstellung zeigt ganz deutlich, dass sowohl nachgeführte als auch feststehende Photovoltaik-Freiflächenanlagen flächenmäßig nur sehr geringe Verschlechterungen für die Biotopbedeutung bringen (z. B. durch die Fundamente, Wege, Umspanneinrichtungen u. ä.).

Ganz überwiegend ergibt sich durch die längerfristige Umwandlung von Acker in extensiv genutztes Grünland eine Verbesserung der Biotopbedeutung; - auf etwa einem Drittel der Fläche sogar um mehrere Bewertungsstufen ( z. B. durch mögliche spezielle Ausgleichsmaßnahmen auf der Anlagenfläche, ideenreiche ökologisch optimierte Eingrünungsformen u. ä.).

Bei den nachgeführten Anlagen ist nur auf ca. 2% der Fläche mit einer Verschlechterung zu rechnen (vor allem für die nötigen stabilisierenden Fundamente).

Auf rund 90% der Anlagenfläche erfolgt dagegen eine Verbesserung der Biotopbedeutung!

Bei feststehenden Anlagen sind die kleinklimatischen Auswirkungen wie Beschattung, Minderung des Niederschlages u. ä. etwas stärker. (Der höhere Anteil "gleichbleibender" Biotopwertigkeit ist für feststehende Anlagen aber lediglich vorsichtshalber angenommen, weil dem Verfasser noch zu wenig konkrete Untersuchungsergebnisse bekannt wurden. Schließlich gibt es ja auch Schatten und Trockenheit liebende schützenswerte Arten!)

Insgesamt ist festzustellen, dass eine große Photovoltaik-Freiflächenanlage durch die per EEG vorgeschriebene Umwandlung von Acker in extensives Grünland auf jeden Fall eine deutliche Verbesserung der Lebensraumqualitäten für den Artenschutz bringt.

 

Wirkungs-Optimierung

Mit sehr geringen technischen und gestalterischen Modifikationen läßt sich dieser Befund noch deutlich steigern.

Zum Beispiel kann man zwischen den Modulreihen Schlitze belassen, was neben statischen Vorteilen, z. B. einer Minderung des Winddrucks auch eine Minderung von Beschattung und Austrocknung unter den Modulen bzw. eine Minderung der Bildung von Tropfrinnen bzw. Erosionen unter den unteren Modulkanten bringt.

Als weiteres Beispiel sei auf die Gestaltungsvielfalt der landschaftlichen Einbindung verwiesen.

Würde man hinter einer ersten, z. B. drei- bis fünfreihigen Hecke einen Reisigwall aus Straßenpflegeschnitt und dahinter wieder einen überwiegend aus dornigen Arten bestehenden zweiten drei- bis fünfreihigen Heckenstreifen legen, würde möglicherweise sogar ein Zaun einsparbar, wodurch die Kosten für die zusätzlich zu begrünende Fläche sicher mehr als ausgeglichen wären. Oder an Stelle der Reisiglagen ist auch eine Kette flacher, wechselfeuchter Ausmuldungen möglich u. ä. (vgl. Darstellung 3).

Oder warum bindet man die Anlage nicht einfach z. B. am verschattungsunempfindlichen Nordrand mittels einer mehrreihigen Streuobstpflanzung in die umgebende Landschaft ein? So könnte man sogar heute immer häufiger verloren gehende Lokalsorten in einer Art "Obstbaummuseum" erhalten.

Die Gestaltungschancen sind natürlich vom Standort, von der Fähigkeit und dem Ideenreichtum des Planers und der Bereitschaft der Investoren, ganzheitlich zu denken, abhängig!

Desweiteren zeigte sich, dass unter Artenschutzaspekten großzügig gestaltete Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen auch weniger kosten als z. B. ein Monat Bauverzögerung durch Genehmigungsdiskussion. Es rechnet sich also vor allem für den Investor, den Belangen des Arten- und Umweltschutzes von vorn herein das gebührende Gewicht einzuräumen.

 

Dachflächen: Eine Alternative?

Ob Photovoltaikanlagen auf Dachflächen gegenüber Freiflächen aus Sicht des Natur- und Artenschutzes positiver zu bewerten sind, kann hier wegen dem Verfasser nur begrenzt verfügbarer Untersuchungsergebnisse nicht sicher aufgezeigt werden.

Es sei aber darauf hingewiesen, dass neben der Beeinträchtigung architektonisch energiemäßig optimierter Bauformen durch Solaranlagen auf vorhandenen Dächern erhebliche Beeinflussungen des Artenschutzes vor allem hinsichtlich der Lebensräume für Algen, Pilze, Flechten, Moose u. ä. wahrscheinlich sind.

So sind stark belichtete und über lange Zeit von konkurrierendem Pflanzenwuchs freie Dachflächen bedeutende Lebensräume für viele sehr langsam wachsenden Flechten und Moose. Immerhin sind von den Thüringen vorkommenden Flechtenarten 72 % gefährdet; - deutschlandweit sind es immer noch 61 % aller vorkommenden Arten. Bei den Moosen gelten in Thüringen 57 % aller vorkommenden Arten als gefährdet, deutschlandweit 46 %. Noch größer ist der Prozentsatz der auf Roten Listen verzeichneten Algenarten!

Aus Sicht des Artenschutzes zahlen sich inzwischen die bisherigen Bemühungen des Umweltschutzes - wie die Minderung des SO2-Gehaltes oder des Pestizidgehaltes der Luft - auf die genannten Arten im Lebensraum Dach deutlich positiv aus. Aber auch die Entwicklung des CO2-Gehaltes der Luft u. a. wirken sich aus.

Die Abdeckung der Lebensräume auf Dächern durch Solarmodule verursacht somit sicher eine erhebliche "Veränderung" dieser Biotope!

Hier besteht ein noch dringender Forschungsbedarf; - bevor alle aus Sicht des Artenschutzes möglicherweise schützenswerten Dachflächen mit Solarmodulen überdeckt sind (vgl. Darstellung 4)!

 

Ökologische Gesamtsicht

Außerdem sind noch einige weitere, ökologisch als positiv anzusehende Wirkungen von Photovoltaik-Freiflächenanlagen zu beachten!

Der langfristige weitgehende Nutzungsverzicht z. B.

- ermöglicht auch eine Regeneration des Ackerbodens,

- die entfallende Düngung ermöglicht die allmähliche Ausdünnung überschüssiger Nährstoffe und so indirekt eine Verbesserung der Qualität des Oberflächen- und Grundwassers und

- die weitgehend emissionsfreie Stromgewinnung trägt nicht zuletzt zur beachtlichen Minderung von Luftschadstoffen bei.

Nun ist aber - wie einleitend bereits erwähnt - die Anlage von Photovoltaik-Freiflächenanlagen aus ökologischer Sicht nicht nur eine Frage des Schutzes von Tieren, Pflanzen usw!

Von ebenfalls besonderem Gewicht sind die Wirkungen auf Menschen, Kultur und Sachgüter, d. h. auf

- wirtschaftliche Wirkungen und die

- besonders z. B. ästhetischen Wirkungen auf die

Landschaft!

Rechnet man alles in allem (Entwicklung, Produktion, Vermarktung usw.) bei einer Investition von rund 100000 Euro mit der Schaffung von etwa einem Arbeitsplatz, so bringt eine mittelgroße Freiflächenanlage von z. B. 50 ha bei Kosten von mindestens 50 Mio. Euro somit etwa 500 Arbeitsplätze; - davon bis zu 20 % am Standort (für Zulieferungen, Bau- und Pflegetätigkeiten usw.).

Diesem für uns Menschen entstehenden Vorteil stehen aber für uns Menschen als Nachteil empfindbare Le-bensraumveränderungen gegenüber; - z. B. bezüglich des Landschaftsbildes und damit des Landschaftsgenusses, der Vermarktbarkeit der Landschaft für den Fremdenverkehr u. ä.

Es muß also bei der Anlage von Photovoltaik-Freiflächenanlagen eine Abwägung verschiedener Wirkungen stattfinden.

Planungsmethodisch entscheidend ist u. E. bei solche Abwägungen, dass sie auf jeden Fall und vollständig offengelegt werden.

Mein Vorschlag ist, die Bedeutung artenschutzbezogener, wirtschaftlicher sowie ästhetischer (zuzüglich sonstiger, nur schwer meßbarer) Wirkungen von Photovoltaik-Freiflächenanlagen erst einmal als praktikable Annahme (und in Ermangelung konkreter Forschungs-ergebnisse) in drei gleichgroße Blöcke einzuteilen.

Da - wie aufgezeigt - der Bau von großen Photovoltaik-Freiflächenanlagen aus Sicht des Artenschutzes im Rahmen der derzeitigen Vorgaben aus dem EEG auf jeden Fall positiv ist, sollte m. E. nur dann auf große Photovoltaik-Freiflächenanlagen verzichtet werden, wenn die anderen beiden Wirkungsblöcke, d. h. sowohl wirtschaftliche als auch ästhetische Gesichtspunkte ganz deutlich negativ zu bewerten sind.

In allen anderen Fällen sollte man - nicht zuletzt auch im Interesse des Artenschutzes - zur weitgehend emissionsfreien Energiegewinnung die Form großer Photovoltaik-Freiflächenanlagen nutzen!

Dr. Dr. Karlheinz Marquardt, Dornstadt/Bad Blankenburg, Oktober 2004