EDITORIAL

Karl Heinz Marquardt

WARUM DIESES SONDERHEFT IN DER REIHE DES FORSCHUNGSKREISES STADTENTWICKLUNG?

Stadt oder Land?

An der Schwelle des 3. Jahrtausends zeichnet sich bei zunehmendem Funktionswandel und Bevölkerungsrückgang eine dramatische Konkurrenz ab zwischen Ballungsgebieten und Ländlichem Raum.

Der "Städtische Raum" verliert seine Vorteile als Sicherungs-, Kommunikations- und Versorgungsschwerpunkt. Die Zeit der großen Städte scheint vorbei zu sein! Stadtmauern sind gegen moderne Waffen wirkungslos. Moderne Informations- und Kommunikationstechniken machen Texte, Bilder, Töne oder indirekt auch Düfte materiefrei transportierbar und allerorten verfügbar.

Tele-Medizin, Tele-Learning usw. ersetzen zunehmend zentrale Großformen für z. B. Krankenhäuser, Universitäten, Schulen. Weitere Miniaturisierung bis zur Nanotechnik und gezielter Einsatz von Biotechnik u. ä. erlauben immer individuellere Ver- und Entsorgungen.

Der "Ländliche Raum" verliert seine Funktion als Ernährungsbasis. Land- und Forstwirtschaft werden bald in ihrer tradierten Form überflüssig sein.

Die tierlose Fleischerzeugung mittels Zellkulturen wird immer wirtschaftlicher. Die Nachahmbarkeit der Photosynthese und damit die pflanzenlose Nahrungsmittelproduktion wird immer wahrscheinlicher (s. z. B. http://www.iwoe.de/VortragTutzingen/a_hauptseite.html).

Die Bedeutung des Ländlichen Raumes als integrierter Lebensraum dagegen wächst!

 

Arbeit wurde anders - weltweit!

Immer leichter werden Arbeiten, Wohnen, Leben integrierbar. In den hochentwickelten Ländern kommen bereits mehr als die Hälfte aller Arbeitsplätze aus der weitgehend orts- und zeitunabhängigen Informationswirtschaft. Die Fabriken werden dagegen immer menschenleerer.

Die Relativierung/Minderung übergeordneter Ziele wie Glaube, Fortschritt, Menschlichkeit führte zu immer mehr Scheinbeschäftigung (wie Bürokratie, Zwang zu "Mitwirkungen" aller Art). Doch wird die Sinnlosigkeit solcher Scheinbeschäftigungen zunehmend erkannt.

Traditionelle Funktionssortierungen (in sog. zentrale Orte, in Industrie-, Gewerbe-, Wohngebiete usw.) werden immer weniger begründbar.

Traditionelle Hierarchien/Ressortbildungen werden wegen der allseits verfügbaren Informationen immer bedeutungsloser.

Magnetgetragene Schwebe-"autos" und Massengütertransport via "Container"-Röhren minimieren den Landschaftsveränderungsbedarf.

Neue Materialien oder biotechnische "Konstruktionen/Mutationen" (wie nachwachsende und rückstandslos recycelfähige Behausungen) lassen auch für den Menschen mehr Leben im Einklang mit ihrer Natur zu.

Die Nutzung anderer Lebensräume (unter Wasser, im Weltraum) beginnt.

 

Nur Freiheit schafft Zukunft!

Erfolgsorientierter Naturschutz, tiefgefrorene Samenbänke, Klonen, Artenrekonstruktionen aus Genkarten reduzieren den Zwang zum Festhalten immer mehr. Es ist nicht beweisbar, dass zukünftige Formen/Situationen schlechter sind als das Vorhandene!

Umwelt-, besser Mitweltverträglichkeitsprüfungen sind deshalb in erster Linie für den Bestand durchzuführen, um die Notwendigkeit eines Veränderns zu erforschen. Offenheit für Neues = Mut zur Zukunft wird immer wichtiger, um die unvermeidbar stetig vorausschauende Angleichung an eine sich auch ohne Menschen weiterentwickelnde Welt zu erreichen.

Gewollte Lücken im räumlich-wirtschaftlichen sowie soziokulturellen Gefüge geben die Chancen für Besseres! Das auf körperliche Leistungen fußende Menschenkraft-Nutzungssystem / Rentensystem ist überholt. Neue und noch neu zu schaffende "Verrechnungssysteme" für soziale, seelische und zwischenmenschliche Leistungen erlauben ein "Arbeitsleben nach Leistungsfähigkeit" unter gezielter Nutzung = systematischer Verwertung von (Lebens-)Erfahrungs-Schätzen (aus allen Altersgruppen).

 

Kommunen gestalten statt verwalten

Städte/Ballungsräume haben in Demokratien größere Wählerstimmenzahlen und Umlagefähigkeiten (= mehr politische und administrative Macht).

Ländliche Räume haben mehr Freiräume für Neues (= mehr Chancen für Zukunft!)

Wer Zukunft will, müßte sich u. E. deshalb für den Ländlichen Raum entscheiden!

Die Zukunft ist aber überall nur durch offensives und kontinuierliches Gestalten (im natürlich vorgegebenen Rahmen) zu gewinnen.

 

Ein Schritt in solche Zukunftsgestaltung ist InKEP, das Institut für kommunale Entwicklungsplanung; - das deshalb in diesem Heft näher vorgestellt wird.

 

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